Von der Kostbarkeit der bäuerlichen Baudenkmäler

Stadel, Schüttkästen und Kellergassen gehören zu den beeindruckendsten Leistungen der bäuerlichen Architektur im Weinviertel. Gerade diese Baudenkmäler sind es, die den Arbeitsalltag früherer Generationen wesentlich mitbestimmt haben. Die Wirtschaftsbauten sind auf Grund jahrhundertelanger Erfahrung zur Perfektion entwickelt worden, genau angepasst an den Bedarf der bäuerlich-dörflichen Gesellschaft, der sie entstammen: funktionell, ökonomisch und ökologisch.
Stadel und Schüttkästen sind in der modernen Agrarwirtschaft zu weitgehend funktionslosen Relikten einer vergangenen Welt geworden. Es sind einerseits "Denk"-Mäler, die uns erzählen, woher wir kommen und was unsere Geschichte ausmacht. Andererseits prägen sie unsere Dörfer und Landschaften bis heute. Kellergassen sind mittlerweile akzeptiertes Kulturgut nicht nur von den Gästen, sondern auch von den Weinviertlerinnen und Weinviertlern. Das steht bei Stadeln und Schüttkästen noch aus, die Wertschätzung ist vergleichsweise gering. Dabei formen Stadelzeilen das „Hintaus" im Dorf, schließen das Dorf zum Umland hin ab und säumen es ein. Es ist wie eine Umarmung. Das ist nicht nur romantisches, sondern auch ökonomisches Potential.
In den Stadeln ist hochwertige Zimmermannstechnik bewahrt, die wert ist, entdeckt zu werden. An die Stadel hat sich eine Reihe von Arbeitsvorgängen und Bräuchen im Bauernjahr geknüpft. Vom "Tenntretn" zur "Stodlmusi" bis zum "Drischldreschn" hat vieles, was den Alltag des alten Dorfes ausgemacht hat, im Stadel stattgefunden. Und es ist nicht zuletzt die Ästhetik dieser Bauten, die auch heute unmittelbar erlebbar ist. Gerade die für das Weinviertel typische serielle Anordnung der Stadel in Stadelzeilen - so wie auch der Presshäuser in Kellergassen - verleiht der Landschaft und den Dörfern ihren unverwechselbaren Reiz.
So kommt der heutige Zugang für die Stadel ins Spiel. Der Kulturtourismus nutzt die Bauten und Bräuche, um den Besuchern die Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsentwicklung eines Gebietes nahezubringen. Dies ist wiederum nur dann möglich, wenn vor allem auch die Menschen vor Ort das überlieferte Kulturgut kennen und wertschätzen. Damit sind unsere Stadel und Schüttkästen wirtschaftlich nutzbar, auf andere Art als in der früheren Zeit. Wir bringen sie ins 21. Jahrhundert und stärken unser Selbstbewusstsein, ideell und ökonomisch.
Dr. Richard Edl & Johannes Rieder
Stadelmeisterin/Stadelmeister
Mit der "Weinviertler Stadelakademie" wird den bäuerlichen Kulturdenkmälern besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Seminare finden in Schüttkästen und Stadeln statt, die heute zu besonderen Lebensinseln, Biotopen des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens des Weinviertels zählen. Experten verschiedenster Fachrichtungen laden zu einem erlesenen Angebot ein, dieses einmalige Kulturgut näher kennen zu lernen. Die Beziehung zum Reichtum und zur Vielfalt unserer Heimat wird neu entdeckt und geschätzt.
Die Ausbildung zur Stadelmeisterin / zum Stadelmeisterin findet in vier Modulen statt.
Weitere allgemeine Informationen und zu den Modulen erhalten Sie hier.
Aktuelle Kurse finden Sie unter Seminare.
